Rede von Nicolas Fink zur Windkraft am 5. Juni 2019

26.06.2019 von Medien

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Windkraft ist zweifellos ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Die SPD steht zur Energiewende, und deshalb stehen wir auch zur Windkraft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Heute wird der Windatlas zum Anlass einer Aktuellen Debatte genommen. Wir brauchen allerdings weniger Atlanten, wir brauchen auch weniger Debatten; wir brauchen mehr Handeln, und genau das vermissen wir bei dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Wir fragen deshalb: Wie kann die grün-schwarze Regierung die Prozesse hier besser steuern, damit der Verwaltungsaufwand für Windkraftgenehmigungen im Land nicht immer weiter steigt und die Anlagen nicht immer teurer werden? Wenn man sich also fragt, warum der Ausbau nicht vorankommt, dann wird man ehrlicherweise feststellen, dass dies auch daran liegt, dass die konkrete Umsetzung vor Ort nicht immer einfach ist.

Als ehemaliger Bürgermeister einer Schurwald-Gemeinde ist mir sehr bewusst, dass sich kein Rathauschef freut, wenn direkt an der Gemarkungsgrenze Windkraftanlagen gebaut werden.

(Abg. Anton Baron AfD: Das stimmt!)

Auch Anwohner werden selten spontane Jubelfeiern veranstalten. Denn leider zeigt sich in Bezug auf Windkraftanlagen ein Phänomen, das wir auch aus allen anderen Infrastrukturdebatten in diesem Land kennen: Abstrakt ist jeder dafür, aber sobald Einzelne direkt betroffen sind, rückt das Allgemeininteresse sofort in den Hintergrund, und das Einzelinteresse wird mit aller Massivität verfolgt.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

So möchte z. B. auch jeder ein voll ausgebautes Handynetz, aber die Funkmasten sollen bitte möglichst weit entfernt stehen. Der Ausstieg aus der Atomenergie und der Kohle wird ausdrücklich begrüßt, aber sobald auch nur ein Windrad im Blickfeld auftaucht, spielt das keine Rolle mehr. Diese Denkund Handlungsweise lässt sich leider noch an vielen weiteren Beispielen aufzeigen.

Hier kommen wir als politisch Verantwortliche ins Spiel. Unsere Aufgabe ist der Dialog mit den Menschen, unsere Aufgabe ist die Diskussion vor Ort, und unsere Aufgabe ist die Überzeugungsarbeit zum Wohl der Allgemeinheit.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU und Gabriele Reich-Gutjahr FDP/DVP – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Sehr gut!)

Die heutige Aktuelle Debatte hat aber ein ganz anderes Ziel: Heute sollen wieder einmal Ängste geschürt werden, um daraus politisches Kapital zu schlagen.

(Abg. Carola Wolle AfD: Ängste?)

Das ist in höchstem Maß unseriös und unredlich.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Dass die Antragsteller ihren Antrag selbst nicht ernst nehmen, lässt sich sehr leicht aufzeigen, werte Kolleginnen und Kollegen. Sinngemäß wird ja die Frage aufgeworfen, ob Anwohner, Vögel und Insekten unter der Windenergie leiden. Tatsächlich – Zahlen sind vorhin bereits genannt worden –, durch Windkraftanlagen kommen jährlich ca. 100 Vögel um. Dem stehen aber ca. 15 Millionen Vögel gegenüber – auch das haben wir vorhin bereits gehört –, die allein an Glasscheiben sterben. Wenn ich dann noch berücksichtige, dass Haushaltsunfälle, etwa beim Fensterputzen, jährlich bis zu 9 000 Menschen das Leben kosten, dann müssten Sie eigentlich kein Burkaverbot, sondern ein Fensterverbot fordern.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Schauen wir doch mal auf das angebliche Leid der Insekten. Eine Studie vermittelte kürzlich den Eindruck, die Windräder würden das Insektensterben befeuern, weil zahllose Fliegen und Mücken in 80 bis 200 m Höhe gegen die Rotorblätter knallen.

Im Übrigen sagen die Autoren dieser Studie selbst, dass es noch viel zu forschen gilt und sie nicht quantifizieren können, welchen Anteil am Insektenrückgang Windkraftanlagen haben. Diese Studie hat es somit ebenfalls versäumt, ihre Zahlen in eine Relation zu setzen.

Wie viele Insekten zerschellen z. B. an Kühlergrillen und Windschutzscheiben der über 50 Millionen Fahrzeuge in Deutschland?

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sie reden sich die Sache auch alle schön, gell?)

Leider ist hier auch das Leid für die Menschen, das Sie in Ihrem Antrag beschreiben, höher; denken wir nur an die zahlreichen Verkehrsunfälle, die Tag für Tag passieren.

Dieser Logik folgend werden Sie vielleicht demnächst folgende Aktuelle Debatte beantragen: „Hermanns Straßenatlas – müssen Anwohner, Vögel und Insekten weiter unter grünschwarzer Verkehrspolitik leiden?“

(Zuruf: Genau!)

Werte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir zum gefühlt hundertsten Mal in diesem Haus, auch bei zahlreichen unsinnigen Ausschussanträgen, die Windkraftnutzung gegen Angstschürerei verteidigen müssen, so dürfen wir uns – leider – nicht entnervt abwenden. Denn die Energiewende und der Klimaschutz sind zu wichtig.

Wenn wir irgendwann 100 % des Stroms klimaneutral erzeugen wollen und auch noch Mobilität und Wärmeversorgung durch erneuerbare Energien sicherstellen wollen – und das wollen wir seitens der SPD –, dann werden Wind- und Solarenergie nach heutigem Wissensstand den größten Anteil daran erbringen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Das heißt auch, dass wir in Deutschland den Anteil der Solarund Windenergie noch um ein Mehrfaches ausbauen müssen.

Gerade hat der neue Windatlas glücklicherweise zutage gefördert, dass es auch im Südwesten Deutschlands noch viele weitere geeignete Standorte gibt. Leider wird das aber nicht reichen, um den Ausbau voranzubringen. Aber es ist immerhin ein wichtiger Mosaikstein, der vielleicht auch manchen Investor wieder ermuntert.

Der Ausbau der Windkraft ist durch falsche Vorgaben bei den Ausschreibungen, aber auch durch die eingangs genannten Vorbehalte in vielen Gemeinden und Landkreisen ausgebremst, und leider sitzen Teile der Landesregierung hier ebenfalls eher im Bremserhäuschen und haben sich die anfangs erwähnten Einzelinteressen zu eigen gemacht nach dem Motto: Wir sind selbstverständlich für den Klimaschutz und für Windenergie, aber bitte nicht an diesem Fleck, bitte nicht in diesem Wald und bitte nicht in diesem Land.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das Klima lässt sich nicht schützen!)

Das ist ja dann auch die Haltung, wenn es um Klimaschutzmaßnahmen beim Verkehr geht:

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Es gibt keinen Klimaschutz!)

Klimaschutz ja, aber bitte schön mit möglichst vielen Autos und Flügen. Wenn es um irgendwelche Kosten oder gar um Tempolimits geht, gibt es noch sehr viel an Erkenntnis zu gewinnen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Dabei redet doch die ganze Welt momentan über das Thema Klimaschutz, darüber, wie wir es möglichst schnell hinbekommen, den Kohleausstieg zu meistern, darüber, die Wärmeversorgung durch Dämmung,

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist doch so populistisch! Das ist so ein Schwachsinn!)

erneuerbare Energien und Neubau von möglichst energieautarken Häusern klimaneutral sicherzustellen, und darüber, endlich auch unsere Mobilität in weiteren Bereichen klimafreundlich umzubauen: mit mehr ÖPNV, mit mehr Schienenverkehr und auch mit neuen Antrieben.

(Abg. Anton Baron AfD: Industrienation! Ja, ja!)

Einige wenige sehen das anders: Populismus statt Wissenschaft, dumpfe Gefühle statt Erkenntnis sind Programm. Dem stellt sich die SPD entschieden entgegen.

(Abg. Anton Baron AfD: Eijeijei!)

Wir kämpfen für eine gelingende Energiewende. Wir stehen zur Windkraft und bieten wie bisher der Landesregierung unsere Unterstützung dabei an, hier und auch in Berlin den Windkraftausbau wieder flottzumachen. Ich kann nur betonen, dass wir einen weiteren Ausbau der Windenergie wollen, und zwar sowohl onshore als auch auf dem Land.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: „Onshore und offshore“ meinen Sie! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wir brauchen dafür natürlich auch mehr Fläche für Windanlagen. Wir brauchen mehr Windenergie in Baden-Württemberg, und wir brauchen weniger Schaufensteranträge. Wir, die SPD, wollen eine umweltfreundliche, CO2-freie Stromversorgung. Die Stromerzeugung in unserem Land soll keine strahlenden Müllaltlasten hinterlassen. Die Stromerzeugung soll nachhaltig sein, sie soll generationengerecht sein, sie soll sozial gerecht sein – darüber haben wir heute noch gar nichts gehört –,

(Abg. Anton Baron und Abg. Bernd Gögel AfD: „Sozial gerecht“!)

und dafür werden wir uns weiterhin einsetzen, hier im Landtag und insbesondere vor Ort bei den Menschen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Gut gemacht! – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Sehr gute Rede)

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