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Nicolas Finks Haushaltsrede für die SPD-Fraktion im Gemeinderat

Februar 18th, 2020 Posted by Nicks Blog No Comment yet

https://youtu.be/93W838RoSLA

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

„vor allem darf niemals das Laster des Murrens aufkommen, in keinem Wort und in keiner Andeutung, was auch immer als Anlass vorliegen mag“ – inspiriert von der Haushaltsrede unseres Finanzbürgermeisters habe ich diese Regel in den Vorschriften des Zusammenlebens der Benediktiner-Mönche gefunden. Dieses „Bruddel-Verbot“ fällt uns Mitgliedern des Gemeinderats natürlich schwer. Schließlich ist unsere Aufgabe als Hauptorgan auch die Kontrolle der Verwaltung. Dies geht oftmals mit Kritik und mit deutlich vernehmbarem Murren einher. Staus, Baustellen, PCB-Diskussionen und insbesondere fehlende Kommunikation geben einem durchaus auch Anlass, dass wir unsere Kritik manchmal auch äußern müssen. Gleichzeitig fallen mir auch die Worte unsere Bundesaußenministers Heiko Maas ein, der beim SPD-Neujahrsempfang gesagt hat: „Deutschland wird nirgends so kritisch gesehen, wie in Deutschland selbst“. Dies lässt sich sinngemäß auch auf Esslingen übertragen: „Esslingen wird nirgends so kritisch gesehen, wie in Esslingen selbst“. Vielleicht fällt mir dies als Neubürger besonders auf: Esslingen ist eine lebendige und besonders schöne Stadt, die von Vielfalt und Engagement getragen wird und grundsätzlich ist es ein Glück, hier leben zu dürfen.

Vielleicht sollten wir alle regelmäßiger diese guten Seiten unserer Stadt betonen. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Esslinger-Welt nur durch eine rosarote Brille wahrnehmen sollten. Aber gerade in der jetzigen Zeit müssen wir echten Demokraten aufzeigen, dass wir ein gelingendes Zusammenleben organisieren und den Menschen ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand ermöglichen können. Dies ist das beste Mittel gegen die Gefahr vom rechten Rand. Auch wir Gemeinderäte müssen gemeinsam laut sein, auch wir müssen den Grundsatz „Nie wieder“ mit Leben füllen, auch wir müssen unsere Demokratie jeden Tag verteidigen. Auch wir müssen klare Kante gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus zeigen.

Deshalb haben wir einen Vorschlag zur Neuausrichtung des Theodor-Haecker-Preises beantragt. Lassen Sie uns inhaltlich darüber diskutieren, aber um Himmels willen nicht unter fiskalischen Gesichtspunkten. Wer hier zu sparen versucht, spart an der absolut falschen Stelle!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, den Alltag der Menschen verbessern, das ist unsere Aufgabe, gerade auf der kommunalen Ebene. Zusammenhalt und Teilhabe sind hierfür entscheidend. Um beides zu ermöglichen, brauchen wir eine starke Stadt. Für die SPD-Fraktion steht fest: Wir brauchen eine Stadt, die sich mehr kümmert! Ausdrücklich begrüßen wir die millionenschweren Investitionen in den Wohnungsbau, in die Schulen, in die Kitas, in den ÖPNV und in die kommunale Infrastruktur. Und wir stellen uns der Tatsache, dass dies seriös finanziert werden muss. Wir tragen deshalb auch den im Haushaltsplan vorgesehenen Grundsteuerhebesatz mit, der übrigens schlicht und ergreifend geltende Beschlusslage ist. Wer diese Beschlusslage verlässt, muss konkret benennen, was in unserer Stadt nicht gemacht werden soll. Erstaunlich findet die SPD-Fraktion, welche Interessengruppen sich plötzlich angeblich für die Interessen der Mieterinnen und Mieter stark machen. Wir werden sie auch bei zukünftigen Diskussionen an diese Haltung erinnern. Die Hauptursache für steigende Mieten ist ganz sicherlich nicht die Grundsteuer. Dieses Argument ist vorgeschoben und durchschaubar. Wohnobjekte und Grundstücke sind zu Spekulationsobjekten geworden. Der freie Markt versagt hier, da Wohnen immer mehr zum Luxus wird, obwohl es ein Menschenrecht ist. Betrachten wir den Mietspiegel der Stadt Esslingen aus dem Jahr 2018 im Vergleich zum Jahr 2020, so stellen wir fest, dass die Miete für eine 100 qm-Wohnung um 3,6% auf durchschnittlich 841 EURO im Monat gestiegen ist. Rechnen wir die Grundsteuererhöhung dazu, so steigt die Miete um weitere 0,2%. Nochmal: Der neue Grundsteuerhebesatz sorgt also für eine Steigerung von 0,2%! In meinem Beispiel sind das weniger als zwei EURO im Monat. Das ist die Dimension von der wir reden! Auch dank der Grundsteuer werden wir aber in die Lage versetzt, 10 Millionen EURO in bezahlbares Wohnen zu investieren. Mit diesen Investitionen wirken wir der nicht hinnehmbaren Marktsituation entgegen, und so helfen wir den Menschen konkret und nachhaltig!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben im Rahmen der Klausur festgestellt, dass der Entwurf des Doppelhaushalts das Ergebnis von diversen eigenen Beschlüssen unseres Gemeinderats ist. Im übertragenen Sinn haben wir also ein Menü bestellt und bekommen nun die Rechnung dafür serviert. Wer nun das Bezahlen (zudem auch die Grundsteuer gehört) verweigert, der handelt nicht nur unredlich, sondern betreibt politische Zechprellerei.

Noch spannender wird diese Haltung, wenn wir uns die Haushaltsplanberatungen des Landkreises anschauen. Nach den Regeln der Benediktiner gilt: „Jedem wurde soviel zugeteilt, wie er nötig hatte“. Dass der Landkreis beinahe mehr bekomme hätte, als nötig war, lag an einer eigentlich nicht-denkbaren Konstellation. Die Grünen im Kreis stimmten gemeinsam mit der CDU, der AfD und den Republikanern für einen Kreisumlagehebesatz von 32 Punkten. Ich bin den Freien Wählern, der FDP und der Linken im Kreis dankbar, dass sie gemeinsam mit der SPD für eine Mehrheit von 31 Punkten gesorgt haben. Wäre diese Mehrheit nicht zustande gekommen, würden unserem städtischen Haushalt im Jahr 2020 1,7 Millionen EURO und im Jahr 2021 2,6 Millionen EURO fehlen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mich würde schon interessieren, wie wir das in unseren Haushaltsplänen hätten darstellen sollen.

Doch bleiben wir beim Thema „Wohnen“. Bezahlbares Wohnen ist die vielleicht drängendste politische Frage unserer Zeit. Sie ist eine soziale Frage für fast alle. Wohnungssorgen begleiten einen Großteil der Menschen in Esslingen. Es fehlen bezahlbare Wohnungen und das Angebot passt nicht zum Bedarf. Wir machen uns auf den Weg, das zu ändern, und haben deswegen viele gute Maßnahmen beschlossen: Wir stehen zum Esslinger Modell und zu den Investitionen z.B. in der Alleenstraße.

Aus Sicht der SPD-Fraktion gibt es aber weiteren Handlungsbedarf: Die konsequente Nutzung von Wohnraum gehört dazu, die Mietpreisbegrenzung, aber auch die konkrete Umsetzung des Flächennutzungsplans. Wir haben in Esslingen viele gute und notwendige Konzeptionen, wie z.B. die Klimaschutzkonzeption und die Kulturkonzeption. Was uns fehlt ist ein „Masterplan Wohnen“. Wir wollen der Arbeit am Thema „Wohnraum“ eine Struktur geben und damit auch die notwendige hohe Priorität verleihen.

Wir stellen deshalb folgenden Antrag: Im Rahmen eines „Masterplan Wohnen“ berichtet die Verwaltung, wie die konkrete Umsetzung des Flächennutzungsplans geplant ist. Hierbei sollen insbesondere folgende Fragen beantwortet werden: Wann werden die im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Wohngebiete erschlossen? Wann stehen nach dieser Planung wie viele zusätzliche Wohnungen zur Verfügung? Welche städtischen Grundstücke können zusätzlich für bezahlbaren Wohnraum verwendet werden? Welche Vorstellungen und Instrumente hat die Verwaltung dazu? Unser Ziel dabei: Schnell möglichst viel Wohnraum für alle Gruppen unserer Stadtgesellschaft!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben dem Wohnen spielt auch die Mobilität eine entscheidende Rolle für den Alltag der Menschen. Die SPD-Fraktion steht für einen starken ÖPNV, dessen Ausbau wir in Quantität und Qualität unterstützen. Dies ist ein entscheidender Baustein unserer Klimaschutzkonzeption, weshalb wir voller Überzeugung für den Ausbau des Oberleitungsnetzes gestimmt haben. Zur Attraktivität zählt für uns auch der barrierefreie Ausbau der Haltestellen, der bei einer besseren Finanzlage, gerne noch etwas schneller vorangetrieben werden darf. Zur Wahrheit gehört: Der Bus wird nur dann häufiger genutzt werden, wenn er nicht auch im Stau steht. Deshalb brauchen wir mehr eigene Busspuren. Auch wenn das nicht sofort populär erscheint: Das Gemeinwohl tausender Fahrgäste ist höher anzusetzen als das Privatinteresse eines einzelnen öffentlichen Parkplatzes vor der Haustür. Ein stärkerer und konsequenter Umstieg auf den ÖPNV hilft uns schließlich nachhaltig dabei, das Klima zu schützen und die Stausituation in der Stadt zu verbessern. In diesem Zusammenhang begrüßen wir auch alle Initiativen, die unseren ÖPNV stärken. Das Bürgerbus-Modell, das uns in Wäldenbronn vorgelegt wurde, sorgt für eine dringend notwendige Anbindung von Serach und der Talstraße. Wir weisen auch darauf hin, dass der Bereich der Bärenwiesen nicht vergessen werden darf. Dass ehrenamtliche Fahrerinnen und Fahrer bereit sind Verantwortung zu übernehmen und die eigentlich kommunale Aufgabe eines attraktiven ÖPNV mit zu gestalten, verdient größten Respekt und Anerkennung. Die Verwaltung hat zugesagt hier gemeinsam mit dem VVS eine Konzeption zu erarbeiten. Darauf vertrauen wir, weshalb wir zum jetzigen Zeitpunkt keinen Antrag formulieren, sondern zunächst die versprochene „zufriedenstellende Lösung“ zur Anbindung des Esslinger Nordens abwarten.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Attraktivität des ÖPNV ist natürlich die Preisgestaltung. Gerne erwähne ich die Tarifzonenreform und das von uns initiierte Stadtticket. Die Zielsetzung muss allerdings ein 365 EURO-Jahresticket nach Wiener Modell sein. Im Kreis haben wir deshalb beantragt, dass sich der VVS als Modellregion für dieses Vorhaben beim Bund bewirbt. Da der Ausgang allerdings ungewiss ist und die derzeitige Konstellation in der Landesregierung leider auch keine schnelle Lösung verspricht, müssen wir uns auf unsere Esslinger Möglichkeiten begrenzen. Das von uns initiierte Esslinger Stadtticket ist zweifellos ein großer Erfolg, deshalb sollten wir gemeinsam überlegen, wie wir diese Erfolgsgeschichte weiter schreiben können.

Deshalb unser zweiter Antrag: Die Verwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit dem VVS und dem Landkreis, die Einführung eines 365-EURO-Jahresstadttickets zu untersuchen und die Ergebnisse dem Gemeinderat zu präsentieren.

Bei allen Mobilitätsdiskussionen vergisst die SPD-Fraktion auch nicht die Autofahrer oder die Fahrradfahrer. Aber eben auch nicht die Fußgänger! Eine große Anzahl von Menschen bewegt sich zu Fuß durch unsere schöne Stadt, ohne allerdings einen starken Lobbyverband zu haben.

Wir berücksichtigen das Interesse der Fußgänger und zeigen dies auch mit unserem Antrag Nummer drei: Entsprechend des Beschlusses des Mobilitätsausschusses vom 22. Januar wir die Beleuchtung des Fußwegs von Rüdern nach Obertürkheim und des Fußwegs von der Neckarhalde nach Mettingen umgesetzt. Die Deckung erfolgt über den Haushaltsposten 7.5410.0040 (DEZII TH66 5410-166) „Straßenbeläge“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die SPD-Fraktion steht fest: Kultur ist kein Luxus! Sport, Kunst und Kultur sind Eckpfeiler für Teilhabe und Zusammenhalt unserer Stadtgesellschaft. Wenn versucht wird, kulturelle Einrichtungen gegeneinander auszuspielen, dann wird die SPD-Fraktion dies nicht zulassen. Wir schätzen die kulturelle Vielfalt unserer Stadt und werden uns weiterhin auch für deren auskömmliche Finanzierung einsetzen – auch und insbesondere für das Kommunale Kino!

Wie groß das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an ihren Kultureinrichtungen ist, hat gerade auch der Bürgerentscheid zur Stadtbücherei gezeigt. Die SPD war stets für eine Modernisierung und Erweiterung der Stadtbücherei am gegenwärtigen Standort in der Heugasse. Im Bebenhäuser Pfleghof hat das größte „Bürgerhaus“ Esslingens Zukunft, stößt auf breite Akzeptanz in der Bevölkerung, füllt ein Baudenkmal dauerhaft mit öffentlichem Leben und vereint so Tradition und Moderne unter einem Dach. Der Bebenhäuser Pfleghof ist für uns beides zugleich: Herzens- und Überzeugungssache. Für unsere zukünftige Bücherei gilt: Die Form folgt der Funktion, weshalb wir das Ergebnis des Architektenwettbewerbs begrüßen und zügig umgesetzt sehen möchten. Die für uns sehr wichtige, konsequente Beteiligung der Bürgerschaft wurde von der Verwaltung zugesichert.

Dies führt uns zu unserem Antrag Nummer vier: In der Vorlage 41/120/2019 wurde im Kulturausschuss mitgeteilt, welche Mittel zur Finanzierung benötigt werden, damit der Design Thinking Prozess und damit die Bürgerbeteiligung erfolgreich durchgeführt werden können. Im Entwurf des Doppelhaushalts wurden diese Mittel reduziert. Wir möchten wissen warum!

Die Beschränkung der Redezeit sorgt dafür, dass ich zwei weitere Themen nur kurz streifen kann:      1. Die Entwicklung des Sportparks Weil ist ein Meilenstein für den Esslinger Sport, der ohne die SPD nicht möglich gewesen wäre. Darüber freuen wir uns. Die Sanierung unserer Sportstätten wird uns auch in der Zukunft intensiv beschäftigen. Für die SPD-Fraktion steht fest: Die Esslinger Vereine brauchen für ihre wertvolle Arbeit auch geeignete Sportstätten. Hier fällt uns insbesondere auch die Schelztorhalle ein, deren Zustand besorgniserregend ist. Wir gehen davon aus, dass die Verwaltung uns über den Zustand und die zukünftige Nutzung der Halle zeitnah informieren wird. 2. Dass wir in Esslingen in den nächsten Jahren 100 Millionen EURO in unsere Schullandschaft investieren, ist die beste Art, öffentliche Gelder zu verwenden.

Unser abschließender Dank gilt Herrn Oberbürgermeister Zieger, Herrn Finanzbürgermeister Rust, Frau Strohbach und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die bewährt zuverlässige Erstellung des Planwerks. Auch schlechte Zahlen sind bei Ihnen in guten Händen. Gleichzeitig danken wir allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern für ihre tatkräftigen Beiträge zu unserem öffentlichen Leben, sei es in den Vereinen, in den Kirchen oder in den Einrichtungen unserer Stadt, sei es im Haupt- oder im Ehrenamt.

Von John F. Kennedy stammt das Zitat: „Einen Vorsprung im Leben hat, wer da anpackt, wo andere reden“. Dass wir heute reden, finde ich in Ordnung. Aber lassen Sie uns ab morgen gemeinsam anpacken, damit unsere Bürgerinnen und Bürger trotz aller Herausforderungen, die auf uns zukommen, sagen können: „Ein Glück, dass wir Esslinger sind“. Ich jedenfalls sage das von mir – und Sie doch hoffentlich auch.